Ich hatte aufgehört zu lachen. Ich hatte aufgehört zu spielen. Dafür war keine Zeit mehr. Ich musste arbeiten. Ich habe so viel gearbeitet, bis ich nicht mehr konnte. Bis ich ausgebrannt war.
Burnout ist ein Zustand der Erschöpfung und Frustration, verursacht durch unrealistische Erwartungen. Es ist ein Energieverschleiß aufgrund von Überforderungen, die von innen oder von außen – durch Familie, Arbeit, Freunde, Liebhaber, Wertesysteme oder die Gesellschaft kommen kann und einer Person Energie, Bewältigungsmechanismen und innere Kraft raubt, so der Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger.
Was war geschehen? Wie ist mir das passiert?
Es war meine Lebenseinstellung. Es war das, was ich dachte, dass das Leben für mich und ich fürs Leben bereithielten.
Als Kind fand ich Peter Pan doof. Wie kann man denn nicht erwachsen werden wollen? Für mich war ein „Da hast du aber erwachsen reagiert!“ DAS Lob schlechthin. Also wollte ich schnell erwachsen werden. Erwachsene sind vernünftig, leistungsorientiert und … angestrengt.
Dabei hielt ich mich eher für faul. Ich dachte, meine Arbeit tauge nicht so viel, wie andere davon hielten. Ich dachte, irgendwann wird es jemand bemerken, dass ich bei der tollen Präsentation „nur Glück hatte“. Oder bei dem Projektabschluss „nur per Zufall“ so erfolgreich war. Dass ich mich beim Studium doch nur „durchgemogelt“ hatte.
Jahre später las ich in Sheryl Sandbergs Buch „Lean in“ vom Hochstapler Syndrom. Ich saß im Zug und musste über die Zeilen plötzlich weinen, weil mir klar wurde, wie verbreitet dieses Gefühl, speziell unter Frauen, ist und wie wenig allein ich damit doch gewesen war.
Damals aber dachte ich genau das: „Es geht nur mir so, alle anderen werden nur zu Recht für ihre Leistungen belohnt!“. Ich aber hatte immer noch das Gefühl, mich durchzuschummeln. Deswegen musste ich mich ja immer anstrengen. Immer mehr.
Gleichzeitig war ich höchst motiviert und hatte viel Spaß an dem, was ich tat. Ich hatte auch einen Teil in mir, der stolz auf meine Besonderheiten war.
Als ich innerhalb des internationalen Unternehmens, bei dem ich tätig war, in eine andere Abteilung wechselte, war ich eine Zeitlang direkt dem CEO unterstellt. Wie viele in seiner Position war er auf Grund vieler Termine und einer Aura des Respekts schwer zu erreichen. Auf meine Bitte hin, hatten wir gemeinsame Jour fixes. Für mich hatte er Zeit! Ich war stolz und wollte ihn nicht enttäuschen.Also strengte ich mich noch mehr an.
In dieser Zeit arbeitete ich mit großer Freude und viel Engagement zwölf bis vierzehn Stunden am Tag. An den Wochenenden war ich meist unterwegs. Ich hatte seit einigen Monaten eine
Fernbeziehung zu einem Banker – erst nach München, dann nach Frankfurt.
Das Unternehmen wurde umstrukturiert und es kamen einige Interimsmanager zum Einsatz. Ungefragt erteilte man mir neue Aufgaben, die mich überforderten und meine Lieblingstätigkeiten fielen weg. Ich litt sehr darunter, zu meiner neuen Vorgesetzten keine Beziehung aufbauen zu können. Sie war selten vor Ort und wenig an den Menschen interessiert.
Eines Tages versuchte ich ihr von meiner zunehmenden Überforderung zu berichten. Ihre Antwort lautete: Es gäbe Indianer und Häuptlinge. Sie hätte schon immer gewusst, dass sie zu den Häuptlingen gehöre. Und es wäre doch ein Geschenk, das sie mir mache, mich so zu fördern.
Nun, es braucht auch Indianer, dachte ich. Und ich war bis dahin ein glücklicher. Dachte ich.
Denn eigentlich war ich ja schon ganz lange nicht mehr glücklich. Die äußeren Umstände, die viele Arbeit, die Fernbeziehung, die neue Chefin… das kam doch alles nur oben drauf. In meiner Begeisterung und meiner Freude am Arbeiten – gekoppelt mit dem hohen Anspruch an mich selbst – hatte ich die Dinge am Leben vernachlässigt, von denen ich wusste, dass sie mir gut tun.
Wie lange war es her, dass ich ein Buch gelesen hatte? Wie lange, dass ich Yoga gemacht hatte? Wie selten hatte ich ein paar Stunden nur für mich? Wann hatte ich das letzte Mal ausgelassen
gelacht?
Wann hatte ich zuletzt mit Freunden gespielt?
Als ich am Ende dann einsah, dass da etwas wohl richtig schief gelaufen war, saß ich wie ein Häufchen Elend bei meiner Ärztin. Ich war schon einige Wochen arbeitsunfähig und sie fragte mich gerade, was ich denn den lieben Tag so mache. Sofort spürte ich das schlechte Gewissen und listete ihr auf, dass ich spazieren ginge, gut für mich kochte, seichte Bücher läse…
„Und gucken Sie auch mal Löcher in die Luft?“
Wie bitte? Nein. Das tat ich nicht. Aber ich hatte es dringend nötig. Und sie hatte mir gerade die Erlaubnis dafür erteilt.
Und so kam ich dann aus der Misere wieder raus. In dem ich lernte, sinnlos rumzusitzen. In dem ich meine eigenen Erwartungen an mich einem gesunden und glücklichen Maß anpasste.
Ich nahm mir Hilfe. Professionelle. Und auch freundschaftliche. Beziehungen in meinem Leben nahmen eine ganz andere Form und Bedeutung an.
Das war gar nicht so leicht, denn ich musste dafür erst einmal Vertrauen lernen.Mir selbst, meinen Fähigkeiten und auch den Menschen um mich herum.
Ich habe gelernt, mich zu zeigen. In meiner ganzen Verletzlichkeit und mit all den Fehlern und den Schatten. Ich konnte jetzt ertragen, gesehen zu werden, so wie ich wirklich bin.
Besonders heilsam war, als ich nach einer Leistenbruch-OP, einige Wochen bei meinem Ex-Mann und seiner Partnerin wohnen durfte. Die beiden haben mich ganz reizend umsorgt und ich lernte, dass ich willkommen bin, obwohl ich nichts leiste. Huch! Das war eine Erkenntnis!
In dieser Zeit lernte ich auch das Lachen wieder. Ich schaute mir ganz bewusst, wie eine Medikation, alberne Videos auf youtube an. Die Handpuppen „Maulwurfn“ und “Falkenhorst“ von René Marik waren meine Favoriten. Die fand ich so blödsinnig lustig, dass ich immer laut loslachen musste. Übrigens tue ich das heute noch!
Im Grunde lernte ich wieder ein Kind zu sein. Zu staunen und mich zu freuen. Meine Emotionen anzuerkennen und auch auszuleben. Meine Bedürfnisse zu erkennen und für deren Befriedigung zu sorgen. Ohne Druck und ohne Anspruch an Perfektion.
Natürlich änderte ich dann auch mein Leben. Dass ich Unternehmerin wurde, war mein ganz persönlicher Weg. Ich denke nicht, dass dies immer und für jeden so gilt, der an einem Burnout erkrankt.
Ich traf mal einen sehr lieben alten Freund, der als Sonderschullehrer arbeitet. Auch er hatte ein Burnout und nach seiner Therapie arbeitete er wieder in seinem Beruf. Und sehr glücklich. Er hatte sich einen wichtigen Anker geschaffen: In seiner Freizeit gärtnert er. Ausgiebig und ausgelassen. Das macht ihn glücklich und gibt ihm Kraft für alles andere.
Meine Kraftquellen heute sind Alleinsein, frische Blumen, Meditation, Trampolinspringen zu mitreißender Musik. Gute Gespräche mit Freunden. Späße machen, spielen und lauthals lachen. Im Park
sitzen unter Bäumen und atmen.
Einfach nur atmen.